Kompaktbericht - Die Rolle der Lehrkraft im KI-Zeitalter

KI hält Einzug in den Bildungsbereich – und das in rasantem Tempo. Als Lehrkraft haben Sie wahrscheinlich schon von KI-gestützten Lernplattformen, adaptiven Tutorensystemen und automatisierten Korrekturhilfen gehört. Oder vielleicht haben Sie beobachten können wir Ihre Schüler:innen von selbst ihr Smartphone im Unterricht hervorholen und mit ChatGPT eine Aufgabenstellung zu bearbeiten? Doch was bedeutet das für Ihre eigene Rolle im Unterricht? Bedeutet der technologische Fortschritt eine Bedrohung oder eine Chance für die Lehrtätigkeit? Diese Aufbereitung hilft Ihnen, die Veränderungen durch KI besser zu verstehen und einzuordnen. Sie zeigt, welche neuen Möglichkeiten sich für Lehrkräfte ergeben und welche Herausforderungen auf Sie zukommen könnten. Wenn Sie wissen möchten, wie Sie sich auf diese Veränderungen vorbereiten und KI gezielt in Ihren Unterricht integrieren können, dann ist dieser Bericht genau das Richtige für Sie. Lassen Sie sich inspirieren und entdecken Sie, wie Sie KI sinnvoll nutzen können, um Ihre Schüler noch besser zu unterstützen. Denn eines ist klar: Lehrkräfte werden auch in der Zukunft unverzichtbar sein – nur ihre Rolle verändert sich. 

Die Autor:innen dieses kurzen Kompaktberichtest haben für Sie ein systematisches Review unter dem Titel: 

"Do we still need teachers? Navigating the paradigm shift of the teacher's role in the AI era" 

von 

Manuel Gentile, Giuseppe Città, Salvatore Perna und Mario Allegra zusammengefasst.

Was findet diese Studie heraus? Die Studie legt dar, dass KI-Systeme wie intelligente Tutorensysteme oder Chatbots nicht die Lehrkraft ersetzen, sondern sie bei vielen Aufgaben unterstützen können. So lassen sich beispielsweise Routineaufgaben automatisieren, während Lehrkräfte ihre Zeit stärker in die individuelle Förderung investieren können. 

Laut den untersuchten Quellen ermöglichen KI-Anwendungen eine individuellere Unterrichtsgestaltung. Dadurch wandelt sich die klassische Rolle der Lehrkraft: Anstatt überwiegend Wissen zu vermitteln, kann sie vermehrt als Lernbegleiterin auftreten und den Lernprozess intensiver steuern und reflektieren.

Methodik
Gentile et al. (2023) haben 102 Primärstudien zu KI und Bildungswesen systematisch ausgewertet. Die Analyse konzentriert sich auf folgende fünf Bereiche:

  1. Lehrer-Schüler-Interaktion: Veränderungen in der Beziehung zwischen Lehrkraft und Lernenden durch KI-gestützte Systeme
  2. Lehrmethoden und -strategien: Neue Unterrichtskonzepte, die verstärkt auf individuelle Lernwege abzielen
  3. Lehrinhalte: Möglichkeiten zur automatischen Erstellung und Anpassung von Lehrmaterialien
  4. Bewertung und Monitoring: Automatisierte Analysen und Bewertung von Lernergebnissen
  5. Lehrerfortbildung: Neue Kompetenzen, die Lehrkräfte im Umgang mit KI benötigen

Hauptergebnisse

  • KI kann personalisierte Lernprozesse unterstützen, erfordert aber ein neues Rollenverständnis der Lehrkräfte.
  • Lehrkräfte, die KI als Assistenzwerkzeug begreifen, gewinnen mehr Zeit für individuelle Förderung.
  • KI-gestützte Bewertungssysteme (z. B. formative Assessments) bieten kontinuierliches Feedback für Lernende.
  • Um KI sinnvoll in den Unterricht zu integrieren, sind Fortbildungsangebote und ethische Richtlinien unverzichtbar.

Was kann ich für meinen Unterricht mitnehmen?

  • Individualisierung: KI-Tools können helfen, den Lernprozess für jede Schülerin und jeden Schüler passgenau zu gestalten.
  • Entlastung: Administrative und wiederkehrende Aufgaben lassen sich automatisieren, sodass Lehrkräfte mehr Raum für pädagogische Kernaufgaben haben.
  • Fortbildung: Das nötige Fachwissen sowie ein verantwortungsvoller Umgang mit sensiblen Daten sollten in Schulungen vermittelt werden, damit KI-Einsatz im Klassenzimmer gelingt.

Fazit: Insgesamt kommen die Autor:innen des Reviews zu dem Schluss, dass KI durch seine Möglichkeiten Einzug in den Unterricht halten wird. Mit dem nötigen Fachwissen und einer reflektierten Haltung lassen sich die neuen Möglichkeiten so nutzen, dass Lehrkräfte weiterhin eine unverzichtbare Rolle im Bildungsprozess spielen – mit zusätzlichen Werkzeugen und erweiterten Handlungsspielräumen und der Erweiterung ihrer Kompetenzen.

Für einen tieferen Einblick in die Erkenntnisse aus dem Review klicken Sie weiter auf die Vollversion

Was ist eigentlich Künstliche Intelligenz?

Künstliche Intelligenz (KI) bezeichnet die Fähigkeit von Maschinen oder Software, Aufgaben auszuführen, die typischerweise menschliche Intelligenz erfordern. Dazu gehören Prozesse wie Lernen, Problemlösung, Mustererkennung, Sprachverarbeitung und Entscheidungsfindung.

Es gibt verschiedene Arten von KI:

  1. Schwache (oder enge) KI – spezialisiert auf eine bestimmte Aufgabe, z. B. Sprachassistenten oder Empfehlungssysteme.
  2. Starke KI – hypothetische Systeme, die über allgemeine Intelligenz verfügen und flexibel denken wie ein Mensch.
  3. Generative KI – Modelle, die neue Inhalte erzeugen können, z. B. Texte, Bilder oder Musik, basierend auf Mustern aus großen Datenmengen (z. B. ChatGPT).

KI basiert auf Algorithmen und Techniken wie maschinellem Lernen, neuronalen Netzen und Deep Learning. Bis heute ist die Entwicklung einer Starken KI nicht gelungen. Generative KI-Modelle können den Anschein einer allgemeinen Intelligenz vermitteln, sollten aber nicht mit starker KI verwechselt werden. 

Die Autor:innen haben ein systematischen Literaturreview erstellt, indem sie 102 Studien systematisch analysiert und die Ergebnisse zu Rollen von Lehrkräften im KI-Zeitalter aufgearbeitet haben. Das genutzte Rahmenmodell schaute sich folgende Punkte bezüglich neuer Lehrkräfte-Rollen an:

  • Lehrer-Schüler-Interaktion
  • Lehrmethoden und -strategien
  • Lehrinhalte
  • Bewertung und Monitoring
  • Lehrkräftefortbildung

Lehrer-Schüler-Interaktion

Die Autor:innen des Reviews argumentieren, dass traditionelle Bildung auf hierarchischen Strukturen beruht und weniger auf einer interaktiven Lehrer-Schüler-Dynamik. Künstliche Intelligenz stellt dieses Modell infrage, indem sie neue Dynamiken einführt und bestehende Autoritätsstrukturen verändert. Statt der klassischen binären Lehrkraft-Schüler:in-Beziehung entsteht ein neues, durch Technologie vermitteltes Paradigma: das Schüler:in-Maschine-Lehrkraft-Modell.

Damit KI erfolgreich in den Unterricht integriert werden kann, ist es entscheidend, dass Lehrkräfte sie als kollaboratives Werkzeug begreifen. Eine der größten Chancen von KI liegt darin, den Unterricht von einer standardisierten, curricular gesteuerten Form zu einer individuellen und personalisierten Lernerfahrung weiterzuentwickeln. Bisher verhindern starre zeitliche Vorgaben oft eine Berücksichtigung individueller Bedürfnisse, was zu mangelndem Engagement und sogar zu Schulabbrüchen führen kann.

Durch intelligente Tutorsysteme (ITS), die Schüler:innendaten analysieren, können Lehrkräfte gezielt bei der Identifikation von Lernlücken und der Optimierung von Feedback unterstützt werden. Generative KI-Chatbots wie ChatGPT wiederum übernehmen wiederkehrende Anfragen und Übungen, sodass Lehrkräfte sich stärker auf vertiefende Interaktionen konzentrieren können. Fortschrittliche NLP-Modelle haben das Potenzial, das Engagement der Schüler:innen zu steigern, ohne dabei menschliche Lehrkräfte zu ersetzen.

Auch wenn dies noch Zukunftsmusik ist, könnten Smart-Classrooms mit Echtzeit-Datenanalyse und digitalen Tools die Lernumgebung nachhaltig revolutionieren. Intelligente Beleuchtungssysteme oder adaptive Lernplattformen könnten beispielsweise gezielt zur Verbesserung der Zusammenarbeit und der individuellen Förderung beitragen.

Gleichzeitig müssen ethische Herausforderungen wie Datenschutz und Bias in KI-Systemen kritisch betrachtet werden. Dennoch bietet diese technologische Entwicklung die Möglichkeit, traditionelle Vorstellungen von Autorität in der Bildung grundlegend zu hinterfragen.

Lehrmethoden und -strategien

Wie bereits erwähnt, vollzieht sich der Wandel von einem lehrkraftzentrierten zu einem lernendenzentrierten Modell. Die Rolle der Lehrkraft bleibt dabei zentral, verändert sich jedoch grundlegend. KI-gestützte Plattformen ermöglichen personalisierte Lernpfade, die sich an individuelle Lernrhythmen, Vorwissen und Bildungsbedürfnisse anpassen. Dadurch lassen sich maßgeschneiderte Lernmodelle für jede:n Schüler:in erstellen.

Der Fokus der Lehrkräfte wird zunehmend auf die Förderung von Kollaboration, Autonomie, Problemlösung und Kreativität verlagert, während die reine Wissensvermittlung verstärkt von KI übernommen werden kann. Lehrkräfte gestalten gezielt Lernprozesse, um die Persönlichkeit und das Potenzial der Schüler:innen zu fördern, anstatt lediglich Wissen zu vermitteln.

Ein zentrales Ziel zukünftigen Lernens ist es, die individuelle Entwicklung der Schüler:innen zeit- und ortsunabhängig zu unterstützen, selbstgesteuertes Lernen und Ausdrucksfähigkeit zu stärken sowie ethische, sportliche und künstlerische Aspekte stärker in die Lehre zu integrieren.

KI kann eine systematische Lehrstrategie vor, während und nach dem Unterricht ermöglichen (Yang, 2022):

  • Vor dem Unterricht: Smarte Plattformen übernehmen die Aufgabenvergabe und analysieren Schülerfeedback, um Lernpfade individuell anzupassen.
  • Während des Unterrichts: Themen werden kontextualisiert eingeführt, und die Lehrkräfte können gezielt auf Schüler:innen eingehen, basierend auf zuvor erhobenem Feedback.
  • Nach dem Unterricht: Individuelle Aufgabenvergabe sowie Online-Tutoring unterstützen die Reflexion und Vertiefung des Gelernten.

Durch diese Integration kann KI die Effizienz und Qualität des Lernens steigern, ohne die menschliche Lehrkraft zu ersetzen, sondern sie in ihrer pädagogischen Rolle zu stärken.

Lehrinhalte

Lerninhalte umfassen Wissen, Fähigkeiten, Gedanken und Verhaltensweisen, die an Schüler:innen vermittelt werden. Künstliche Intelligenz beeinflusst sowohl die Bereitstellung als auch die Produktion dieser Inhalte auf allen Bildungsstufen. Besonders durch die Entwicklung neuer Bildungsressourcen, deren dynamische Generierung sowie die Echtzeit-Analyse von Lernverhalten – auch als „Content Intelligence“ bezeichnet – ergeben sich innovative Möglichkeiten.

Statische, traditionelle Lehrmaterialien weichen zunehmend flexiblen, KI-gestützten Prozessen, die den Fokus von reinem Wissenstransfer auf personalisierte Lernerfahrungen verlagern. Inhalte können dynamisch angepasst, von Lernenden selbst entdeckt oder automatisch durch KI-Systeme generiert werden.

Zu den zentralen Anwendungen von KI in der Inhaltsgenerierung gehören:

  • Automatische Fragengenerierung zur Individualisierung von Tests und Übungen
  • KI-gestützte Videoerstellung zur Veranschaulichung komplexer Themen
  • Analytik-basierte Plattformen, die Lernfortschritte in Echtzeit auswerten
  • Cloud-Lösungen & E-Learning-Plattformen für orts- und zeitunabhängiges Lernen
  • Natürliche Sprachverarbeitung & Bildverarbeitung zur Entwicklung interaktiver und adaptiver Lernmaterialien

Durch diese Technologien wird KI in Zukunft eine zunehmend fächerübergreifende Rolle spielen und die Art und Weise, wie Lerninhalte vermittelt und erlebt werden, grundlegend verändern.

Bewertung und Monitoring

Künstliche Intelligenz wird zunehmend in der Bildungsbewertung eingesetzt und spielt eine zentrale Rolle bei der Analyse von Lehr- und Lernprozessen. Insbesondere die Möglichkeiten der Personalisierung von Lernpfaden durch KI-basierte Bewertungssysteme stehen im Fokus der Forschung.

AI-gestützte Assessment-Technologien umfassen:

• Automatische Bewertung von Hausarbeiten, Tests und schriftlichen Aufgaben

• Echtzeit-Feedback zur Lernfortschrittskontrolle

• Adaptive Bewertungssysteme für formative Rückmeldungen

• Analyse von Studierendenverhalten und emotionalen Zuständen zur Unterstützung individueller Lernprozesse

• KI-basierte Vorhersagemodelle zur Identifikation von Studienabbrüchen

Ein besonderer Aspekt ist die Erweiterung klassischer Prüfungsformate durch intelligente Tutorensysteme und videobasierte Überwachungsmethoden. Dies ermöglicht neue Formen der Bewertung, wirft jedoch zugleich ethische Fragen auf, etwa hinsichtlich Datenschutz oder der Vorhersage akademischer Erfolge auf Basis früherer Leistungen.

Zudem gewinnen KI-gestützte Systeme zur Erkennung von Betrug und Plagiaten an Bedeutung, insbesondere im Kontext automatisierter Übersetzungs- und Schreibwerkzeuge. Parallel dazu erfordert die zunehmende Integration von KI in die Evaluation eine gezielte Weiterbildung von Lehrkräften, um neue Prüfungsstrategien und didaktische Konzepte zu entwickeln.

Lehrkräftefortbildung

Lehrkräfte stehen im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz (KI) vor neuen Herausforderungen, für die sie oft nicht ausreichend ausgebildet sind. Besonders auffällig ist das niedrige Niveau digitaler Kompetenzen, was den effektiven Einsatz von KI-gestützten Lehrmethoden erschwert. Häufig fehlt es nicht nur an Kenntnissen über spezifische KI-Werkzeuge, sondern auch an einem tiefgehenden Verständnis ihrer Funktionsweise und Integration in den Unterricht.

Um diesen Wandel zu bewältigen, benötigen Lehrkräfte nicht nur technologische Schulungen, sondern auch eine kontinuierliche Weiterbildung, die über punktuelle Maßnahmen hinausgeht. Systematische Programme müssen sicherstellen, dass Lehrkräfte langfristig mit technologischen Entwicklungen Schritt halten und diese sinnvoll in ihre didaktischen Konzepte einbinden können.

Entgegen verbreiteter Annahmen zeigt sich jedoch, dass Lehrkräfte KI nicht grundsätzlich ablehnen. Vielmehr stehen ethische und datenschutzrechtliche Bedenken im Vordergrund, die eine reflektierte Auseinandersetzung mit diesen Technologien erfordern. Daher sollte Lehrkräftefortbildung neben technologischem Wissen auch ethische, methodische und emotionale Kompetenzen umfassen.

Fazit

Lehrkräfte der KI-Ära müssen über die Fähigkeit verfügen, Daten aus intelligenten Systemen zu analysieren und zu interpretieren, um personalisierte Lernprozesse zu gestalten. Gleichzeitig müssen sie eine neue pädagogische Rolle einnehmen, die sich durch eine bewusste und verantwortungsvolle Nutzung von KI auszeichnet, um Schüler:innen bestmöglich auf lebenslanges Lernen vorzubereiten.

Unterrichtsmaterialien

schulKI - Wurde von Lehrkräften gegründet und wird gemeinsam mit Forschenden und Programmier:innen entwickelt.

Fortbildungen

Im Augenblick bieten wir keine Fortbildung für Lehrkräfte an 

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Zur Originalstudie

Gentile, M., Città, G., Perna, S., & Allegra, M. (2023). Do we still need teachers? Navigating the paradigm shift of the teacher’s role in the AI era. Frontiers in education, 8. https://doi.org/10.3389/feduc.2023.1161777